Herzlich Willkommen!

Heute starten wir in eine abwechslungsreiche Tour zum neuen Buch “Ich schweige für dich” von Harlan Coben.

In den kommenden Tagen haben wie tolle Themen für Euch ausgearbeitet und sind schon sehr gespannt, was ihr dazu meint.
Um uns zu folgen, schaut einfach in den Tourplan, hier findet ihr immer die täglichen Direktverlinkungen

Heute bekommt ihr aber erstmal ein informatives Interview:

 

© Sandra Mapp c/o Dutton Adult, Penguin US
Harlan Coben zählt zu den erfolgreichsten Thrillerautoren
weltweit. Im Interview spricht er über seinen neuen Roman “Ich schweige
für dich”, das Arbeiten in Limousinen-Fonds und die Geheimnisse seiner
Heimatstadt.

Adam Price, der Held Ihres neuen Thrillers “Ich schweige für
dich”, scheint auf der Sonnenseite des Lebens zu stehen: Er ist
Familienvater, glücklich verheiratet und besitzt ein ansehnliches
Eigen¬heim in einem der wohlhabenden Vororte New Jerseys. Eines Abends
wird Adam von einem Fremden mit einer ungeheuerlichen Behauptung
konfrontiert: Adams Frau habe eine Schwanger¬schaft vorgetäuscht. Der
Mann liefert Beweise, die zu einer Website führen. Was hat Sie auf
diesen Einfall gebracht?

Manchmal kann dein Leben durch einen
Pistolenschuss vernichtet werden – aber manchmal ebenso gut durch ein
leises Flüstern. Es war dieser Gedanke, der mir dabei gefiel. Adam
verbringt einen ganz gewöhnlichen Tag und geht gerade einer typischen
Beschäftigung für Eltern nach, als ihm seine Welt auf der ersten Seite
mit lautem Knall um die Ohren fliegt, nur wegen ein paar Worte, die ihm
ins Ohr geflüstert werden.

Was Adam bei seinen Nachforschungen
herausfindet, stürzt ihn in eine tiefe Vertrauenskrise. Durch seine
heile Welt geht ein Riss, der ihn nicht nur seine Frau Corinne, sondern
seinen Alltag und alle Menschen um ihn herum in einem völlig anderen
Licht erscheinen lässt. Was reizt Sie als Autor an einer solchen
Situation der Entfremdung?

Wir alle sind Adam. Wir alle
fühlen uns in unserer Welt, umgeben von unseren Angehörigen sicher. Aber
was geschieht, wenn diese Welt nur ein wenig in Schieflage gerät? Wir
alle befinden uns auf einer Gratwanderung. Was passiert, wenn uns etwas
ins Wanken bringt?

Bevor sich aufklären lässt, was geschehen
ist, verschwindet Corinne und lässt Mann und Söhne ratlos zurück. Warum
ist das Verschwinden von Personen ein häufig wiederkehrendes, zentrales
Motiv in Ihren Thrillern?

Wenn jemand ermordet wird, ist es
vorbei. Der Tod ist endgültig. Man kann den Fall aufklären oder
Gerechtigkeit erwirken. Aber die Person kann nie mehr zurückkehren. Wenn
jemand verschwindet, gibt es Hoffnung. Es ist großartig, über Hoffnung
zu schreiben, denn dabei geht es um Grenzer¬fahrungen. Die Hoffnung kann
Menschen über sich selbst hinauswachsen lassen, aber auch
wider¬standslos innerlich zerbrechen.

Die Wahrheit hinter
Lebenslügen aufzudecken, treibt die Handlung in Ihren Büchern voran,
doch um Spannung geht es dabei nur vordergründig. Welche Themen liegen
Ihnen am Herzen?

Oberflächlich betrachtet, ist “Ich schweige
für dich” vielleicht ein Thriller und man wünscht sich, dass die
Geschichte hinter der Handlung aufgelöst wird. Das hält einen bei der
Stange und man kann das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Aber der
Antrieb des Romans besteht aus den Themen Familie, Liebe und
Nachbarschaften – und allem voran aus der Frage, wie weit man gehen
würde, um die zu beschützen, die man liebt. Es geht dabei immer um
Gefühle.

In den vergangenen 25 Jahren haben Sie 25 Romane
veröffentlicht, davon zehn Bücher aus der Serie um Myron Bolitar, zwölf
Stand-Alones und drei Jugendromane. Ihre letzten acht Thriller standen
alle auf Platz 1 der New-York-Times-Bestsellerliste, und mit über 60
Millionen verkauf-ten Exemplaren in 43 Sprachen gehören Sie zu den
erfolgreichsten Autoren weltweit. Hatten Sie mit zunehmendem Erfolg auch
einmal das Bedürfnis, aus der Arbeitsroutine auszubrechen,
beispielsweise Ihr Arbeitspensum zu verringern und nicht mehr jedes
Jahr, sondern nur noch alle zwei einen Thriller fertig zu schreiben?

Ich
denke darüber nach. Aber letztlich setze ich es nie um. Es entspricht
zwar ein bisschen einem Klischee, aber ein Schriftsteller verspürt den
unausweichlichen Drang zu schreiben. Ich bin sicher, dass ich irgendwann
langsamer machen oder mir eine Auszeit nehmen werde. Dieses Jahr habe
ich einige Arbeit in zwei Fernseh-sendungen gesteckt (die Serie „Harlan
Coben’s THE FIVE“ für den britischen Sender Sky1 und den Sechsteiler
„Une chance de trop“ für den französischen Sender TF1), doch im Leben
geht es ums Gleichgewicht. Ich muss Vater, Ehemann und Schriftsteller
sein können, um mich ausgeglichen zu fühlen. Kommt eines zu kurz, leidet
alles darunter.

Neben Ihrem Erfolg als Bestsellerautor sind Sie sind der Einzige, der mit dem Edgar-Award, dem Shamus-Award und dem Anthony-Award
geehrt wurde. Nichtsdestotrotz haben Sie sich das Ziel gesetzt, mit
jedem neuen Buch besser zu werden. Setzen Sie dieser hohe Anspruch und
die kurze Zeit, in der Sie Ihre Bücher schreiben, nicht enorm unter
Druck, oder beflügelt das Ihre Kreativität?

Richtigstellung:
Ich war der Erste, der alle diese Preise gewonnen hat. Nach mir haben
das noch ein paar andere geschafft. An der Arbeit ändern Preise
überhaupt nichts. Den Druck habe ich mir immer selbst gemacht – das
heißt, ich strebe stets danach, dass mein nächstes Buch mein bestes ist.
Wenn ich diesen Drang nicht mehr verspüre, höre ich wahrscheinlich auf
zu schreiben.

Um sich nicht von Telefon, E-Mails, ihrer großen
Familie oder Arbeiten rund ums Haus ablenken zu lassen, schreiben Sie
fast nie daheim. Wo überall haben Sie schon gearbeitet, und ist es für
einen bekannten Autor wie Sie überhaupt möglich, ungestört an
öffentlichen Orten zu schreiben?

Ich kann überall schreiben.
Eine Zeitlang habe ich im Coffeeshop eines großen amerikanischen
Supermarkts gearbeitet. Niemand hat mich gestört. Vielleicht weil ich
bedrohlich aussah? Während der Arbeit an meinem letzten Buch nutzte ich,
statt selbst Auto zu fahren, sogar den Fahrdienst von Uber, setzte mich
in den Fond und schrieb. Ich habe schon in Flugzeugen, Zügen, am Strand
und in Bibliotheken geschrieben, wo auch immer. Wenn ich einen
geeigneten Ort finde, nutze ich ihn – bis es dort nicht mehr
funktioniert, und dann suche ich mir einen neuen.

Schreiben ist ein einsamer Job. Wie gut kommen Sie damit zurecht und mit wem tauschen Sie sich über Ihre Arbeit aus?

Unter
meinen Freunden sind einige Schriftsteller. Manchmal gehen wir zusammen
spazieren. Natürlich habe ich Familie. Und ich habe Lektoren, Agenten
und ähnliche Leute. Aber Schriftsteller sind unabhängig. Wir mögen von
Zeit zu Zeit gesellig sein, aber es liegt in unserer Natur, dass wir
nicht von der Energie anderer zehren. Eigentlich werde ich der
Geselligkeit in der Regel rasch überdrüssig. Deshalb fühle ich mich
wohl, wenn ich allein bin.

Eines Ihrer Lieblingszitate stammt
von E.L. Doctorow: „Schreiben ist wie eine Fahrt durch den Nebel. Man
sieht nicht weiter als der Scheinwerfer reicht, aber man kann so die
ganze Strecke zurücklegen.“ Hat sich an dieser Situation für Sie in all
den Jahren des Schreibens etwas geändert?

Möglicherweise. Ich
analysiere den Entstehungsprozess meiner Romane nicht, aber er
verändert sich von Buch zu Buch. Manchmal kenne ich eine Geschichte
schon sehr gut, bevor ich mit dem Schreiben beginne, manchmal weiß ich
noch ganz wenig. Aber so oder so ist es immer eine gewagte Reise ins
Ungewisse.

Für einen Bestsellerautor Ihres Ranges, der in
Gedanken unentwegt neue abgründige Fälle ersinnt, führen Sie ein
erstaunlich unspektakuläres Leben. Ist das nicht schrecklich langweilig?

Ich
wuchs in einem ruhigen Vorort auf, der seltsame Geheimnisse barg. Als
ich ein kleiner Junge war, gab es in der Stadt bei einer Schule ein mit
Stacheldraht umzäuntes Gelände, vor dessen Betreten Schilder warnten.
Gerüchten zufolge handelte es sich um einen Stützpunkt für
Abwehrraketen, und deshalb hätten wir uns von dort fernzuhalten. Wissen
Sie was? Es stimmte tatsächlich! Jetzt ist dort ein Park, aber man kann
immer noch die Relikte der alten Startrampen sehen. Es kursierte auch
das Gerücht, ein großes schauriges Haus in der Stadt gehöre einem
Mafiaboss, der das Vorbild für Don Corleone im Film „Der Pate“ abgegeben
habe. Und wissen Sie was? In diesem Haus lebte ein Mafiaboss… und
obgleich das nie bewiesen wurde, fand man einen gewaltigen Ofen auf dem
Gelände. Sie merken also, dass es sogar in meiner beschaulichen
Heimatstadt immer Geheimnisse gibt…

© Goldmann Verlag, Interview: Elke Kreil