Im Interview mit Beate Rösler
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Eines meiner zuletzt gelesenen Bücher war »Die Töchter des Roten Flusses« von Beate Rösler. Es geht über eine beeindruckende Familiengeschichte, in der jeder sein eigenes Päckchen zu tragen hat. Mich hat das Buch regelrecht fasziniert, weil es soviel zu geben hat. Ich bekam nicht nur eine Geschichte, sondern dazu historisch, geschichtlich relevante Fakten mit on top, dazu das einzigartige Feeling, wie es ist, in ein Land einzureisen, das in keiner Weise mit Deutschland vergleichbar ist. Ich selbst habe gar nicht soviel Reiseerfahrungen, vielleicht konnte mich der Aspekt deswegen so begeistern. Die Details sind hier wirklich toll beschrieben. Vietnam als Reiseziel wäre wirklich mein Ding.
Umso mehr freue ich mich, das mit Beate Rösler einige Fragen beantwortet hat.
Liebe Beate, magst Du dich für die Leser in 3 kurzen Sätzen vorstellen?
Bild: © Beate Rösler
BR: In drei Sätzen? Mal sehen. Mein Name ist Beate Rösler und seitdem ich vor zwei Jahren mit meiner Familie aus Vietnam zurückgekehrt bin, lebe ich wieder in Frankfurt am Main. Seit ein paar Monaten gehört Hündchen Loki, ein kleiner Havaneser, zu uns. Romane zu schreiben, war schon ein Traum von mir, als ich noch ein junges Mädchen war. Es ist wunderbar, dass ich ihn mir erfüllen konnte, und ich freue mich riesig, dass du einen davon hier besprichst.
Wie entstand die Idee nach Vietnam zu ziehen, wo Dir die Idee für dein Buch „Die Töchter des Roten Flusses“ gekommen ist?
BR: Mein Mann arbeitet in der Entwicklungspolitik, weshalb wir schon einmal vier Jahre in Indien gelebt haben – eine rundherum positive Erfahrung für unsere Familie. Ich selbst unterrichte Deutsch als Fremdsprache, viele Jahre auch für das Goethe Institut, das es ja in vielen Hauptstädten der Welt gibt, auch in Delhi und Hanoi. Als dann 2014 die Möglichkeit bestand, nach Vietnam zu gehen, beschlossen wir, das Abenteuer Ausland noch einmal zu wagen. Der Aufbau-Verlag, bei dem bereits mein Indien-Roman „Die Reise des Elefantengottes“ erschienen war, schlug mit vor, über eine Geschichte nachzudenken, die in Vietnam spielt. Erstmal musste ich mich dort einleben und das Land besser kennenlernen. Aber nach einer Weile sprudelten dann die Ideen.
Was genau hat Dich in Vietnam am meisten beeindruckt, bzw. was ist Dir am eindrücklichsten im Gedächtnis geblieben?
BR: Bevor wir nach Hanoi zogen, hatte ich einiges über Vietnam gelesen. Aber ich kannte das Land nicht, deshalb gab es, als wir dort unseren Alltag aufbauten, immer wieder Situationen, die mich haben staunen lassen, einfach, weil viele Dinge anders laufen als bei uns. Am meisten überrascht hat mich, wie wenig Ressentiments gegenüber den Amerikanern bestehen. Während des Vietnamkrieges (in Vietnam amerikanischer Krieg genannt) haben die Amerikaner den Vietnamesen im kommunistischen Norden viel Leid zugefügt. Dennoch, und obwohl das Ende des Krieges erst fünfundvierzig Jahre zurückliegt, scheint kein tiefer Groll zu bestehen. Gegenüber dem Nachbarland China sieht das ganz anders aus. Die tausendjährige chinesische Herrschaft liegt bereits ein Jahrtausend zurück, aber das Gefühl, von China bedroht zu sein, hat die Vietnamesen nie verlassen.
Mit welchem typischen vietnamesischen Gericht würdest Du deine Geschichte beschreiben?
BR: Das ist ja eine lustige Frage. Vielleicht mit einer Phở gà, einer Reisnudelsuppe mit Huhn. Man bekommt die Phở gà überall und sie passt zu jeder Tageszeit. Sie ist das bekannteste Gericht im Norden Vietnams, besonders in Hanoi. Mein Roman „Die Töchter des Roten Flusses“ spielt überwiegend in Hanoi, deshalb passt das ganz gut.
Was genau wolltest Du beim Schreiben von „Die Töchter des Roten Flusses“ ausdrücken? Stand für Dich eher die Familiengeschichte im Vordergrund oder entstand diese erst durch die Idee den Wandel Vietnams in deinem Roman eindrücklich zu beschreiben?
BR: Ausgangspunkt meiner Geschichte war die junge Frankfurter Anwältin Tuyet, deren Eltern aus Vietnam stammen. Bevor Tuyet sich aufmacht, um die Geschichte ihrer Familie zu ergründen, ist sie noch nie in Vietnam gewesen. Obwohl in ihrer Familie in Deutschland manche Rituale gepflegt werden, entdeckt Tuyet Vietnam zunächst genau wie ich durch die Brille einer Außenstehenden. Je länger ich in Hanoi lebte, desto mehr wuchs und veränderte sich meine Geschichte und mit ihr meine Charaktere. Ich war erstaunt darüber, wie viele Vietnamesinnen und Vietnamesen gut Deutsch sprachen, weil sie in der ehemaligen DDR gearbeitet oder studiert hatten. Einige erzählten mir ihre Lebensgeschichten, die mich tief beeindruckt haben. So entwickelte sich zum Beispiel der Teil des Romans, der in der DDR spielt, aber auch Kriegserlebnisse fließen ein sowie Haltungen zu Themen, die heute relevant sind. Tuyet, die sich nie viele Gedanken um die Vergangenheit gemacht hat, zeigt, wie wichtig es ist, sie zu kennen, sowohl die persönliche als auch die historische.
Dein Roman spielt in Vietnam/Deutschland und Du bringst sehr bildhaft rüber, wie sich beide Länder voneinander unterscheiden und was sie verbindet. Trotz dieser geschichtlichen Verbundenheit bekommt man kaum etwas über dieses eindrucksvolle Land mit. Meinst Du, das Mediengesetz in Vietnam spielt dabei eine Rolle?
BR: Um die Pressefreiheit ist es in Vietnam nicht gut bestellt. Was der Kommunistischen Partei nicht gefällt, wird zensiert. Unliebsame Journalistinnen und Journalisten landen im Gefängnis, für die Bloggerszene sieht es genauso aus. Teilweise werden sogar die Familien und Anwälte bedroht. Nun ist 2019 noch ein Gesetz in Kraft getreten, das ausländischen Online-Plattformen vorschreibt, die Daten einheimischer Nutzerinnen und Nutzern auf Servern in Vietnam zu speichern und sie den Behörden gegebenenfalls auszuhändigen. All das hindert Medienschaffende daran, innerhalb Vietnams unabhängige Informationen zu verbreiten. Dass wir, wie du ansprichst, nicht viel über das Geschehen in Vietnam mitbekommen, liegt, denke ich, viel mehr an den Schwerpunkten, auf die unsere Presse bei der Berichterstattung setzt: historisch den Vietnamkrieg und seit einiger Zeit Vietnam als touristisches Reiseziel. Wenn ich etwas über die Politik oder die Lage der Menschenrechte erfahren möchte, muss ich schon spezielle Newsletter abonnieren. Dabei gäbe es zu diesen Themen über Vietnam genauso viel zu sagen wie etwa über China oder die Türkei. Gib mal bei Google „Blogger und Vietnam“ ein und du wirst sehen, dass dort ausschließlich Reiseblogs erscheinen.
Apropos Reisen: Dein Reisetipp in Vietnam, was sollte man sich unbedingt angesehen haben?
BR: Für Hanoi sollte man auf jeden Fall Zeit einplanen. Die weitläufige Altstadt ist schon sehr charmant. Wer modernes Stadtleben mag und in den Süden fährt, wird sich in Ho Chi Minh City (ehemals Saigon) wohlfühlen, es ist ein interessanter Kontrast zur Hauptstadt. Ich persönlich liebe die Reisfelder rund um Mai Chau, man kann dort spazieren gehen und Rad fahren. Wem nach wandern zumute ist, empfehle ich Sapa im Nordosten des Landes oder Ha Giang, das ist weniger touristisch. Zum Baden ist Hoi An ein guter Ort, dort ist immer viel los, aber es ist ein wunderschönes Städtchen. Whale Island bietet einsamere Strände genauso wie die Insel Con Dao, wo Geschichtsinteressierte auch Gefängnisse aus der französischen Kolonialzeit besichtigen können.
Helenes Versprechen von Beate Rösler
Buch bei Aufbau Taschenbuch
Das Schicksal einer jüdischen Kinderärztin.
New York, 1947: Die Kinderärztin Helene sieht nach beinahe zehn Jahren ihren Sohn Moritz wieder. Als kleinen Jungen hatte sie ihn mit einem Kindertransport aus Frankfurt fortgeschickt. Jetzt ist Moritz seiner Mutter fremd geworden. Aber ihr Versprechen hat er nie vergessen. Gelingt es den beiden, wieder zueinander zu finden? Und auch in New York Fuß zu fassen fällt Helene nach dem Krieg schwer. Doch dann trifft sie ihre erste große Liebe Leon wieder, der Ende der zwanziger Jahre ohne sie in die USA emigriert ist. Ob sich Helene auf ein neues Leben einlassen kann?
Das Beste zum Schluss! Dein neuer Roman „Helenes Versprechen“ erscheint Mitte Januar bei Aufbau Taschenbuch. Kannst Du schon jetzt für uns kurz anschneiden, was wir in deinem neusten Roman erwarten können?
BR: Es ist eine ganz andere Geschichte als die beiden vorherigen Romane. Dieses Mal spielt sie in Frankfurt am Main und in New York. Im Mittelpunkt steht die Kinderärztin Helene, die, als Jüdin verfolgt, den Zweiten Weltkrieg in ihrer Geburtsstadt Frankfurt überlebt und 1947 nach New York emigriert. Hier sieht sie nach fast zehn Jahren ihren Sohn Moritz wieder. Um ihn vor den Nazis zu retten, hatte sie ihn als kleinen Jungen mit einem Kindertransport aus Frankfurt fortgeschickt. Jetzt ist Moritz ein Teenager und seiner Mutter fremd geworden. Gelingt es den beiden wieder zueinanderzufinden? Wird Helene nach allem, was sie während der Nazi-Herrschaft erlebt hat, in New York Fuß fassen und sich auf ein neues Leben einlassen können? Um diese Fragen und vieles mehr geht es in „Helenes Versprechen“. Meine Protagonistin habe ich mir ausgedacht. Aber es ist ein wahres Schicksal, das mich zu dieser Geschichte inspiriert hat.
Vielen Dank das Du meine Fragen so ausführlich für mich und meine Leser beantwortet hast. Ich freue mich schon jetzt auf deinen neuen Roman! Möchtest du vielleicht den Lesern noch etwas sagen?
BR: Vielleicht noch eine letzte Bemerkung zu meinem Vietnam-Roman. Was mir beim Schreiben eines Romans und bei der Recherche dafür so gut gefällt, ist, dass ich selbst immer Neues lerne. Als Westdeutsche kannte ich zwar die Geschichte der sogenannten Boatpeople, Menschen aus Südvietnam, die nach dem Ende des Vietnamkrieges nach Australien, in die USA oder auch in die Bundesrepublik Deutschland flohen. Über das Leben der Vietnamesinnen und Vietnamesen aus dem Norden, die in der DDR gelebt hatten, wusste ich jedoch recht wenig. Kurz nachdem wir in Hanoi angekommen waren, 2015, feierte man vierzig Jahre deutsch-vietnamesische Beziehungen. Letztlich ist das eine westdeutsche Perspektive, die darauf beruht, dass im Jahre 1975 die BRD und Vietnam diplomatische Beziehungen aufgenommen hatten. Dabei pflegte Vietnam schon viel länger Beziehungen zur DDR, wo es während des Vietnamkrieges eine starke Solidaritätsbewegung für das kommunistische Vietnam gegeben hatte. Im Laufe meiner Recherchen wurde mir klar, dass die Verbundenheit, die viele Vietnamesen zu Deutschland empfinden, auf ihrem Verhältnis zur ehemaligen DDR beruhen, was in der gesamtdeutschen Geschichtsschreibung nicht in Vergessenheit geraten sollte.
Liebe Leser, auf der Facebookseite der Autorin findet weitere Infos zu den aktuellen Büchern der Autorin, wie zum Beispiel Ausschnitte von Lesungen. Schaut doch mal vorbei »KLICK«
Die Töchter des Roten Flusses von Beate Rösler
Buch bei Aufbau Taschenbuch
Zwischen uns die halbe Welt
Nach dem Tod ihrer Stiefmutter findet Tuyet Briefe ihrer Mutter aus Vietnam. Wollte sie den Kontakt zu ihrer Tochter also doch nicht abbrechen? Auf der Suche nach Antworten reist Tuyet von Frankfurt nach Hanoi, der Stadt am Roten Fluss, wo sie die junge Linh kennenlernt und tief in die fremde Exotik ihrer Heimat eintaucht. Als sie eines Tages Linhs Mutter kennenlernt, die als Vertragsarbeiterin in der ehemaligen DDR gelebt hatte, ist Tuyet ihrer Vergangenheit plötzlich näher, als sie ahnt …
Exotisch und farbenprächtig: Ein bewegendes Familienepos zwischen Deutschland und Vietnam.
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