Im Gespräch mit Volker Dützer

Lieber Volker, vielen Dank für deine Zeit, dich unseren neugierigen Fragen zu stellen.

Volker: Gerne. Ich bin sehr gespannt, was mich erwartet.

Magst du dich kurz für unsere Leser vorstellen?

Volker: Ich bin 54, lebe mit meiner Frau im wilden Westerwald und schreibe Thriller, Krimis und unheimliche Kurzgeschichten. Wenn ich mal gerade nicht am Schreibtisch sitze, fahre ich gerne Rennrad, gehe schwimmen oder genieße einfach die Ruhe der schönen Natur, in der ich lebe.

Warum Koblenz, was hat diese Stadt an sich, dass sie als Romankulisse herhält? Verbindet dich etwas mit ihr?

Volker: Ich kann nur über das gut schreiben, was ich auch kenne. Heutzutage kann man sich über das Internet zwar einen guten Eindruck von Orten verschaffen, an denen man nie zuvor gewesen ist, aber das Gefühl, einen Platz wirklich zu kennen, kann Google Maps nicht ersetzen. Mir kam die Idee zu der Szene, in der Jule ein Toter vor die Füße fällt, als ich am Ufer des Rheins in der Nähe besagter Brücke spazieren ging. Also ließ ich die Geschichte in Koblenz beginnen. Aber sie spielt ja nicht nur dort, sondern zieht sich später ja durch ganz Deutschland.

©Volker Dützer
©Volker Dützer

»Das Ambrosia Experiment« ist ja erst vor Kurzem erschienen. Wie kam dir die Idee zu diesem Buchprojekt, hat dich etwas dazu inspiriert?

Volker: Was letztlich den Wunsch in mir auslöst, einen Roman zu schreiben, kann sehr unterschiedlich sein. Meistens sind es einzelne Bilder, die wie Traumfetzen vor meinem inneren Auge auftauchen, oder die vage Vorstellung einer Figur, über die es sich zu schreiben lohnt. In diesem Fall ist die Grundidee eine Variation von Hitchcocks „Fenster zum Hof“. Die Hauptfigur Jule stand mir klar vor Augen und ich wusste sofort, dass ich sie befreien musste. Jule lebt inmitten tausender Menschen in einer großen Stadt und ist sehr einsam. Ich stellte mir vor, dass zwischen ihr und dem Rest der Welt aus irgendeinem Grund eine unsichtbare Mauer steht, die sie nicht überwinden kann. Diese Mauer hat sie aus ihrer eigenen Angst errichtet. Jule geht einem streng geregelten Tagesablauf nach, in dem sie sich sicher fühlt. Alles Fremde jagt ihr eine Höllenangst ein. Obwohl sie sich sehnlich wünscht, die Mauer zu durchbrechen, ist sie nicht in der Lage, ihre Angst zu überwinden, sie ist einfach zu stark. Die meisten von uns haben tiefsitzende Ängste, vor denen sie immer wieder kapitulieren. Viele werden sich mit Jule deshalb wohl sofort identifizieren können. So lange diese Ängste das Leben nicht oder nur gering beeinträchtigen, unternimmt man nichts dagegen und arrangiert sich damit. Aber Jules Angst bestimmt ihr Leben völlig. Ich wollte, dass der Leser von der ersten Seite an Mitleid mit ihr hat, dass er ruft: „Komm schon, Jule! Versuch es, du schaffst das!“

Der Roman beginnt damit, dass Jule tapfer versucht, aus dem Käfig ihrer Ängste auszubrechen, aber sie scheitert kläglich. Dann geschieht etwas, das ihr Leben auf den Kopf stellt, und dass sie zum Handeln zwingt: Sie beobachtet einen Mord, und der Täter bemerkt sie. Nun hat sie ein Riesenproblem. Nicht nur, dass sie ihre ausgetretenen Trampelpfade verlassen muss – sie traut sich ja kaum aus ihrer Wohnung – plötzlich ist ein Killer hinter ihr her und die Polizei wird einer verschrobenen alten Jungfer, die mit toten Leuten redet, die gar nicht da sind, wohl kaum glauben. Und dann entdeckt Jule, dass sie eigentlich eine Kämpferin ist …

Dein Klappentext vom Buch beginnt mit »Sie träumen von Unsterblichkeit…«. Wärst du gerne unsterblich?

Volker: Hand aufs Herz, wer wäre das nicht gerne? Es käme allerdings auf die Umstände an. Zum einen natürlich nur, wenn ich auch fit und gesund wäre, und zum anderen vermute ich, dass die menschliche Psyche darauf gar nicht ausgelegt ist. Wir würden wahrscheinlich nach spätestens 200 Jahren überschnappen. Auf jeden Fall würde es mich sehr reizen, mal einen Blick in die Zukunft werfen zu können. Wie wird die Welt in 100 Jahren aussehen? (Ich bin da allerdings ziemlich pessimistisch.)

Ob wir uns ewiges Leben nun vorstellen können oder nicht, die Wissenschaftler arbeiten ja längst daran. Google hat bereits über eine Milliarde Dollar in die Forschung investiert, im Silicon Valley arbeitet man mit Hochdruck an der Verlängerung menschlichen Lebens. Da taucht doch sofort die Frage auf, was passiert, wenn man den Stein der Weisen – den Jungbrunnen – findet. Dieses Geheimnis ist unbezahlbar und ich könnte mir vorstellen, dass es Menschen gibt, die bereit sind über Leichen zu gehen, um es zu bewahren.

Banner das Ambrosia Experiment von Volker Dützer

Sie träumen von Unsterblichkeit – und sind bereit, dafür über Leichen zu gehen

Auf der einen Seite: ein Mord in Koblenz. Eine Schönheitsklinik in den Alpen. Und eine Gruppe sehr reicher, sehr mächtiger Männer, die bereit ist, andere sterben zu lassen, um selbst am Leben zu bleiben. Auf der anderen Seite: die junge Laborantin Jule Rahn und der zwangsversetzte Kommissar Lucas Prinz. Beide fest entschlossen herauszufinden, was sich hinter den Machenschaften dieser Männer verbirgt. Gemeinsam kommen die beiden einem Verbrechen auf die Spur, dessen Ausmaß sie fassungslos macht. Und dessen Drahtzieher haben nicht vor, die beiden am Leben zu lassen …

Quelle: beTHRILLED

Medizinische Details oder Massenselbstmord – wenn du solche Themen in Büchern einbaust, recherchierst du dann viel?

Volker: Um einen Roman zu schreiben, braucht es mehr als nur eine Grundidee. Jules Vergangenheit in der Sekte de Groots war eine Idee, die schon lange in meiner Schublade lag. In unterschiedlicher Form habe ich immer wieder damit herumgespielt, bis ich merkte, dass sie gut zu Jule passte.

Ich erinnerte mich an den Massenselbstmord der Sonnentempler in den 90er Jahren und habe dann darüber recherchiert. Da ich mich sehr für moderne Wissenschaften interessiere und fasziniert bin, welche Möglichkeiten Genetik und Bioengeneering schon heute bieten, war ich über den Stand der Forschung schon relativ gut informiert. Ich bin dann nochmal in die Tiefe gegangen und habe mich mit den unterschiedlichen Forschungsansätzen in Sachen Unsterblichkeit beschäftigt. Man ist sich heute weitgehend einig, dass das Geheimnis eines langen Lebens mit den Telomeren zu tun hat. Telomere sind die Enden der Chromosomen. Bei jeder Zellteilung werden sie kürzer, bis sie schließlich aufgebraucht sind und die Zelle sich nicht mehr teilen kann – sie stirbt. Die Telomerase ist nun ein Enzym des Zellkerns, von dem man annimmt, dass es das Wegbrechen der Chromosomenenden verlangsamen oder gar verhindern kann. Allerdings hat die Telomerase auch einen Nachteil: Sie steht in Zusammenhang mit der Entstehung von Krebs – einer Zellmutation, die theoretisch unendlich weiterwachsen kann, wie wir ja alle wissen.

Kommende Bücher, kannst du uns hier schon einen Ausblick geben, was uns als nächstes erwartet?

Volker: Im Frühjahr 2020 erscheint im Gmeiner-Verlag ein neuer Roman, der gewissermaßen einen Quantensprung für mich darstellt. »Das Geheimnis der Wolkenbilder« – so der Arbeitstitel – ist weder Krimi noch Thriller, sondern ein zeitgeschichtlicher Roman, der zwischen den Jahren 1938 und 1947 spielt. Es geht um eine junge Halbjüdin, die in die Mühlen der Aktion T4, also den Euthanasieverbrechen der Nazis, gerät. Ich habe lange gezögert, diesen Roman zu schreiben, weil ich gehörigen Respekt vor diesem Genrewechsel und der deutschen Vergangenheit hatte, aber ich wollte die Geschichte, die mich schon lange verfolgte, unbedingt schreiben. Obwohl es etwas ganz anderes als meine anderen Romane ist, merkt man doch man meine Handschrift und am Ende wird daraus fast ein Thriller. 😊 Dennoch hatte ich nach meinem letzten Roman „Jenseits der Nacht“ ein bisschen das Gefühl, mal etwas anderes schreiben zu müssen. Ich war mit „Jenseits der Nacht“ nicht mehr so ganz zufrieden und hatte das Gefühl, eine Pause einlegen zu müssen. Es hat sich auf jeden Fall gelohnt. Nicht nur, dass ich gemerkt habe, dass ich mich auch in anderen Genres bewegen kann, die Lust auf einen neuen Thriller ist auch wieder gestiegen. Gestern habe ich den ersten Satz geschrieben: »Mein Name ist Thomas B. Cayce, und dies ist der ungewöhnlichste Fall, mit dem ich je zu tun hatte.« Lasst euch überraschen!

Welches Thema würdest du gerne einmal in einem Buch aufgreifen?

Volker: Grenzbereiche der Wissenschaft, so wie in „Ambrosia“ beschrieben. Ich habe Dutzende Ideen zu Gedankenlesen, digitaler Überwachung, Genetik und anderen Dingen in der Schublade, aber sie werden voraussichtlich auch dort bleiben, weil solche Themen sehr schwer zu verkaufen sind. Sagen zumindest die Verlage. Seltsamerweise sind Kino und Fernsehen voll davon, aber der Buchmarkt ist da eher vorsichtig und konservativ. Der nächste Roman wird also wieder ein Psychothriller werden. Wenn die „Wolkenbilder“ gut laufen, wird es davon zwei Fortsetzungen geben, die in der Nachkriegszeit spielen.

Vielen Dank für deine interessanten Antworten. Möchtest du deinen Lesern noch etwas sagen?

Volker: Ich wünsche all meinen Lesern schöne und spannende Stunden beim Lesen. In einer guten Geschichte zu versinken, ist eine der schönsten Beschäftigungen, die es gibt. Bleibt gesund!

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