Interview mit Izabelle Jardin

Romane die tief blicken lassen sind selten.
Über diese Juwelen muss man sprechen, deswegen freue ich mich, Euch dieses Interview mit Izabelle Jardin zeigen zu können.
Ihr Roman hat wirklich tief blicken lassen und ist eines der wenigen, für mich ansprechenden Bücher, dieses Genre.
Ihr Anspruch an die eigene Persönlichkeit spiegelt sich durch alle Ihre Romane.
Ich wünsche Euch viel Spaß beim Lesen.

 

Unter die Haut: Ein romantischer SM-Roman
  • Digitale Ausgabe: 378 Seiten
  • Verlag: tolino media
  • erschienen am: April 2014
  • ASIN: B00JV817MW
  • Preis : 3,99 €  derzeit nur 1,99€
  • Meine Wertung: 5/5

 

Vertrauen, Hingabe & Liebe

Liebe Izabelle,
Erst mal vielen Dank für die Beantwortung meiner neugierigen Fragen.
Magst du vielleicht kurz etwas zur Dir sagen?Hallo Katja. Es ist mir, wie immer, ein besonderes Vergnügen, mich Deinen Fragen zu stellen. Ehe ich hier etwas zum zwölfhundert-x-zigsten Mal erzähle: Besucht doch einfach mal meine Homepage www.izabellejardin.de, oder schreibt mir eine Mail. Ich freue mich über Leserzuschriften und beantworte sie immer sehr gerne.

In Deinem romantischen SM-Roman begegnen dem Leser viele Praktiken/Fetische, die einen neugierig machen können. Manche sind nur angeschnitten, manche etwas ausgearbeiteter. Warum genau war es für Dich reizvoll, in Deinem Buch SM zu thematisieren?

Quelle: Pixabay – Bodypainting

Mir ist der Begriff „SM“ erstmals während des sozialwissenschaftlichen Studiums in einem Seminar begegnet. Damals stand ich vor diesem „Mysterium“ mit ziemlich verständnislosem Gesicht. Wie es sein kann, dass zwei Menschen Gefallen daran finden können, ihr Liebesleben mit „Oben und Unten“- Rollenverteilungen, oder gar mit dem Zufügen/Aushalten  von Schmerz zu garnieren, und das auch noch höchst erstrebenswert finden können, war mir völlig unverständlich.
Irgendwann habe ich dieses Thema im eigenen Kopf wieder aufgegriffen, und in einer sehr ausgeprägten Recherchephase nicht nur zu verstehen versucht, sondern von Anfang an auch den Anspruch gehabt, ein Buch daraus zu machen. Fertig war dieser Debütroman nach etwa einem Jahr Schreibzeit. Danach habe ich ihn in die Schublade gelegt, und eine Weile vergessen. So lange, bis SoG das Thema offensichtlich gesellschaftsfähig machte. Dann habe ich die Arbeit mit meinem Lektor zusammen noch einmal aufgenommen und es veröffentlicht.

 

Quelle: Pixybay – Fetisch/Füsse

Was mir während meiner „Reise in diese Welt“ so alles begegnet ist, war ein weit aufgefächerter Bilderbogen. Von „uralten“ glücklichen Paaren, die in tiefer Liebe und gegenseitiger Achtung ihrer besonderen Spielart der Liebe frönten, bis hin zu katastrophalen Abstürzen, die (vor allen Dingen im psychischen Sinne) schreckliche Wunden geschlagen hatten.
Mir war es wichtig, möglichst viele denkbare Seiten aufzuzeigen. Nicht nur die wunderschönen (und wirklich harmlosen) Möglichkeiten, die SM zweifellos bieten kann, sondern auch die Schattenseiten, die entstehen können, wenn die ganze Sache aus dem Ruder läuft. Daraus resultieren auch die beinahe etwas thrillermäßig anmutenden Sequenzen des Romans.

Zu Deiner Frage der angeschnittenen/oder vertieften Praktiken: Die SM-Welt ist ein ziemlich bunter Tummelplatz. Wo fängt eigentlich SM an? Ist es schon der Klaps auf den Po, der „dominante Blick“, der Seidenschal, der für den Moment über die Augen gelegt, eines Sinnes beraubt, oder zum spielerischen Festbinden der Hände benutzt wird? Oder beginnt es womöglich dort, wo sichtbare Zeichen entstehen, seien es blaue Striemen, Fesselmale oder gar Wunden?
Eines ist sicher: SM muss immer mit Einvernehmlichkeit einhergehen! Wenn echte Zuneigung, gar Liebe eine Rolle spielt, kann es zu einer erstaunlichen Bereicherung des Lebens werden.
Fehlt das Einvernehmen, ist jede Handlung schlicht kriminell.

Lack & Leder – empfindest du diese Materialien als typisches SM-Utensil?

Diese Materialien setzen Körper in besonderer Weise in Szene. Sie liegen meist eng an, nehmen die Wärme der Haut schnell auf, laden sozusagen zum Berühren ein. Außerdem passen sie zu bestimmten Rollenspielen besonders gut.
Leder ist grundsätzlich sicherlich absolut gesellschaftsfähig. Um sich im Lackoutfit zum Einkaufen zu trauen, bedarf es aber bestimmt eines ziemlich ausgeprägten Selbstbewusstseins. Lack und Latex würde ich also doch ganz deutlich in die Schublade „Fetischkleidung“ stecken.

Dein eigenes Empfinden – wie würdest Du SM beschreiben?

Als liberal denkender Mensch gönne ich jedem Tierchen sein Pläsierchen. Ich habe während meiner Recherchen Menschen kennengelernt, die dann, wenn sie ihre Neigungen ausleben durften, und vor allen Dingen den passenden Partner dazu gefunden hatten, aufblühten und wirklich glücklich waren. Und andere, die eingingen, wie die Primelpötte, wenn sie über längere Zeit keine Gelegenheit hatten, ihre Neigung auszuleben. Einen gewissen „Suchtfaktor“ mag die Sache wirklich haben. In aller Regel schädigt es jedoch weder die Lunge, noch macht es dick, oder greift die Leber an. Gehört also zu den ungefährlichen Dingen, die Spaß machen 😉
Warum also nicht?

 

Quelle: Pixabay – Bondage

Erotik in Romanen – Was glaubst Du, sollten Autoren in dem Genre unbedingt beachten?

Der Grat zwischen Erotik und Pornografie ist schmal. Ein und dieselbe Liebesszene kann erotisch oder pornografisch rüberkommen. Ich persönlich verzichte nach Kräften auf das „F“-Wort, das abgedroschene. Und bin stets bemüht, eher Emotionen zu schreiben, als Stellungsanleitungen nach dem Prinzip der IKEA-Aufbauanleitung.
Immer eingedenk der Tatsache, dass Sex im Kopf entsteht 😉

Wenn du je nochmal einen erotischen Roman wie “Unter die Haut” schreiben würdest, welche Themen würdest du gerne mit einbauen?

Danach werde ich immer mal wieder gefragt. Es wird keinen weiteren erotischen Roman von mir geben. Speziell zum Thema SM habe ich mit „Unter die Haut“ alles gesagt, was ich gern sagen wollte.
Wobei es in den Folgeromanen natürlich nie am Thema „Liebe“ gefehlt hat. Allerdings ist doch Liebe so viel mehr, als nur die körperliche Vereinigung im Zoom-Modus, nicht wahr?


Rollenverteilung – Wie stehst du generell dazu?

Also, ich finde es okay, wenn mein Mann den Müll rausbringt …

Nein, Du willst auf etwas anderes hinaus, stimmt’s?
Rollenverteilung, also das Hineinschlüpfen in bestimmte Positionen während des Liebesspiels kann sehr spannend sein, denke ich. Das Leben ist voller Anforderungen an die alltäglichen Rollen, die wir zu spielen haben. Und viele sind oft wirklich nicht die reine Freude. Warum also nicht für einen bestimmten Zeitraum jemand ganz anderes sein?
Verantwortung abgeben, wenn man täglich zwölf Stunden lang welche tragen muss, Verantwortung übernehmen, wenn man im Job immer nur nach ander Leuts Pfeife zu tanzen hat. Statt immer nur höchst erwachsen zu sein, auch mal das unbedarfte Mädchen herauskehren, einfach locker lassen, sich fallen lassen, spielen …
Wobei ich schon die eingefleischten SMer schreien höre: Das ist kein Spiel, das ist eine Lebenseinstellung.
Von mir aus auch das.

Vielen Dank für dein Statement zu diesen prickelnden Fragen. Möchtest du deinen Leser noch gerne etwas Persönliches sagen?

Meine Leser? Meine Leser sind ganz besondere Menschen! Sie sind vielseitig interessiert, überhaupt nicht festgelegt, haben einen offenen Geist, reisen mit mir in unterschiedliche Länder und Szenarien, folgen mir in Traumwelten und manchmal bittere Realitäten.
Sie sind das wichtigste Element im Karussell des Autorenlebens, das sich unwiderstehlich dreht und dreht … und über lange Arbeits-und Entstehungszeiten von Büchern sehr einsam machen kann. Meine wunderbaren Leser lesen und schenken mir ihr Feedback. Schenken den Moment, wo man kurz abspringen und mit Menschen in Kontakt kommen darf, für die man sich buchstäblich schwindelig schreibt.