Liebes Kind – Romy Hausmann
„Dieser Thriller beginnt, wo andere enden.“
So ist die Aussage bei den Infos zu diesem Buch. Ja, da bin ich gespannt. Kenne einige Thriller und diese Ansage ist schon eine Hausnummer!
©Sandra Bielawski
Liebes Kind – Romy Hausmann – dtv Verlag
Eine fensterlose Hütte im Wald. Lenas Leben und das ihrer zwei Kinder folgt strengen Regeln: Mahlzeiten, Toilettengänge, Lernzeiten werden minutiös eingehalten. Sauerstoff bekommen sie über einen »Zirkulationsapparat«. Der Vater versorgt seine Familie mit Lebensmitteln, er beschützt sie vor den Gefahren der Welt da draußen, er kümmert sich darum, dass seine Kinder immer eine Mutter haben. Doch eines Tages gelingt ihnen die Flucht – und nun geht der Albtraum erst richtig los. Denn vieles deutet darauf hin, dass der Entführer sich zurückholen will, was ihm gehört.
In ihrem emotional schockierenden und zugleich tief berührenden Thriller entrollt Romy Hausmann Stück für Stück das Panorama eines Grauens, das jegliche menschliche Vorstellungskraft übersteigt.
Quelle: dtv Verlag
“Liebes Kind” ist das Debüt von Romy Hausmann. Bisher noch nie etwas von dieser Schriftstellerin gehört gehabt, obwohl Sie schon regelmäßig auf einem Blog Ihre Beiträge veröffentlicht. Dann stieß ich in einer Vorschau auf dieses Buch und dachte, dieser Satz hier ist schon eine interessante Aussage:
Dieser Thriller beginnt, wo andere enden
Als ich dann die Chance bekam, dieses Buch zu lesen, freute ich mich umso mehr und war gespannt was mich erwartet.
Und es ist wirklich so, dass es an der Stelle beginnt, wo man sonst schon den Epilog liest. Eine junge Frau schafft es aus monatelanger Gefangenschaft aus einer Hütte zu fliehen. Sie rennt um Ihr Leben, doch die Flucht gelingt Ihr nicht so, wie es gewünscht gewesen wäre. Sie erleidet einen Unfall, kommt ins Krankenhaus und nun beginnt die eigentliche Handlung.
Der Leser erfährt nur bruchstückhaft, was alles geschehen ist. Die ganze Geschichte setzt sich erst nach und nach aus vielen Einzelteilen, Aussagen und Handlungen zusammen. Sehr oft gibt es in Thrillern eine klare Struktur, polizeiliche Ermittlungsarbeit, Aussagen der Opfer und Zeugen. Doch hier in diesem Buch wird aus verschiedenen Perspektiven, aus eigener Sicht geschrieben. So hat man zum einen Lena, das eigentliche Opfer, Ihre Tochter Hannah und den Vater Matthias der jungen Frau.
Die einzelnen Charaktere könnten unterschiedlicher nicht sein. Fange ich mit der Tochter an, sie hat auf mich schon was faszinierendes. Viele Kinder reden wirr, erkennen Zusammenhänge nicht, sind verängstigt. Zuerst weiß man nicht mal wie alt sie ist, kann es nur schätzen. Später klärt es sich dann auf und man ist doch ein wenig erstaunt. Sie ist ein sehr gefestigtes Mädel, driftet aber in eine rationale Ebene ab, wenn es zu Gefühlen kommt. Dann zitiert sie Passagen oder Definitionen, wahrscheinlich um sich zu schützen. Aber das finde ich schon interessant. Das habe ich bisher in keinem Buch erlebt, was ich gelesen habe und es gefällt mir sehr gut. Sie macht sich aber auch viele Gedanken um Ihren Bruder, kann also auch Gefühle an sich heran lassen.
Lena hatte bei Ihrer Flucht den Unfall, liegt nun im Krankenhaus und muss sich erst wieder zurecht finden. Auch sie macht zuerst keine sinnigen Aussagen, alles ist etwas verworren, man schiebt es auf das Trauma zurück. In der Zwischenzeit werden die Eltern informiert, dass es gut sein kann, dass man die seit 14 Jahren vermisste Tochter gefunden hat. Gefühle die einer Achterbahn gleichen. Die Dinge nehmen Ihren Lauf.
Also ich muss sagen, man ist von der ersten Seite an in der Geschichte drin. Die ersten Abschnitte findet man sich aufgrund der unterschiedlichen Perspektiven noch nicht ganz zurecht, das legt sich aber nach den ersten Kapiteln. Genau diese unterschiedlichen Sichtweisen sind es aber, die das Buch so interessant machen. Man erfährt nach und nach, was sich alles in der Hütte abgespielt hat, wie das Leben dort war, gleichzeitig aber auch, was die Eltern, vor allem der Vater alles versucht hat, um seine Tochter wieder zu finden.
Man erhält einen guten Einblick, was nach der eigentlichen Entführung alles so geschieht, was die Opfer durch machen müssen. Das ist sonst meist eher ein nebensächlicher Punkt. Lena handelt, in unseren Augen, nicht rational. Aber wer weiß schon, wie man sich selbst verhalten würde, wenn man in einer solchen Situation wäre? Nun sagt man: Ne wie blöd, mach das doch nicht, tu dies, tu jenes. Aber wer weiß. Ich kann mir schon vorstellen, dass nach solchen extremem Monaten in Gefangenschaft, manche Dinge sehr unwichtig, andere wiederum sehr wichtig werden in einem Leben. Das wird dem Leser schon sehr gut vermittelt. Mir tut die Frau, auch wenn ich sie manchmal am liebsten geschüttelt hätte, sehr leid. Mir tun die Eltern leid, diese Achterbahn der Gefühle, das Hoffen und Bangen. Was ist aus der Tochter geworden. Wie geht es ihr? Lebt Sie noch?
Romy Hausmann hat mit diesem Thriller meine Erwartungen übertroffen. Zusammengefasst kann man sagen: Sehr authentische Personen mit recht unterschiedlichen, sehr interessanten Eigenschaften. Ein Schreibstil, der die ersten Seiten ein klein wenig schwierig, später perfekt zur Geschichte gepasst hat. Spannungspegel enorm weit oben weil man ständig mitgefiebert und gehofft hat.
Dieses Buch sollte man, als Thrillerfan, unbedingt lesen. Es ist definitiv mal etwas anderes und beginnt wirklich erst am Ende der anderen!
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